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Fünfter Blog - Mai 2024

Bizarrer Streit um die Schöffenkrüge

Das Objekt der Begierde

Wer schon einmal den Ratssaal im alten Unkeler Rathaus von innen gesehen hat, dem sind sicherlich die 12 großen Zinnkrüge aufgefallen. Sie stehen gut sichtbar auf einem Wandregal. Jeden Krug ziert das Wappen der Stadt Unkel. Der Erzbischof und Kurfürst Clemens August hatte sie 1732 den Schöffen des Amtes Unkel als Anerkennung für ihre treuen Dienste geschenkt.

Bis zum Ende des Kurfürstentums Köln bestimmte der vom Kurfürsten eingesetzte Schultheiß die Geschicke der Bürgermeisterei, zu der Unkel, Scheuren und Rheinbreitbach gehörte. Ihm zur Seite standen die Schöffen. Sie waren nicht nur politisch verantwortlich sondern bildeten auch zusammen das Unkeler Schöffengericht. Es war sowohl für die Verhandlung von Strafrechtsfällen als auch für die zivilrechtlichen Angelegenheiten der Bürger zuständig. Aus den zwei Liter fassenden Krügen wurde bei den Sitzungen ordentlich Wein getrunken, der den Schöffen als „nasse“ Vergütung zustand.
Unter der preußischen Herrschaft ab 1815 wurden die Schöffengerichte zunächst nicht vollständig aufgelöst. Sie blieben zuständig für die sogenannte „Freiwillige Gerichtsbarkeit“, d.h. Grundstücks- und Familienangelegenheiten und amtliche Beglaubigungen wurden weiterhin vor Ort geregelt. 

Erst 1887 gingen auch diese Befugnisse auf die Amtsgerichte über. Für das Amt Unkel war das Amtsgericht Linz zuständig. Und dort hatte gerade der junge ehrgeizige Gerichtsassessor Dr. Meissner das Regiment übernommen. Er ließ die Unkeler wissen, dass zum 1. Dezember 1887 das Unkeler Schöffengericht endgültig aufgelöst und ausgeräumt werde. Dabei ließ er die Bemerkung fallen, dass er die Herausgabe der 12 Zinnkrüge an das Amtsgericht Linz verlangen werde.  Die entsetzten und empörten Mitglieder der Bürgermeistereiversammlung beauftragten den Bürgermeister Oskar von Altrock, die Krüge auf keinen Fall herauszugeben. Der Gerichtsassessor hatte diese Reaktion wohl vorausgesehen und wollte die Unkeler überrumpeln. Schon am 16. November schickte er seinen Gerichtssekretär mit dem Auftrag nach Unkel, die Krüge aus dem Schöffenzimmer nach Linz zu holen.

Wie es der Zufall wollte, begegneten sich der Bürgermeister und der Gerichtssekretär in den Gassen von Unkel. Auf die erstaunte Frage des Herrn von Altrock, was er hier wolle, erzählte der einfältige Mann was sein Auftrag sei. Daraufhin gingen beide gemeinsam ins Rathaus. Der Gerichtssekretär wurde dort mit der Verweigerung der Herausgabe konfrontiert.

 

 


Von Altrock bedeutete ihm, dass man sich der Wegnahme der Krüge mit Gewalt widersetzen werde und der Gerichtssekretär brachte statt der Schöffenkrüge nur ein entsprechendes Schreiben zurück nach Linz. Von Altrock seinerseits verwahrte die Krüge nun bei sich zu Hause.

Hier die handschriftlichen Aufzeichnung des Bürgermeisters von Altrock über den Vorfall

Für den Bürgermeister von Altrock hatte diese Aktion natürlich ein Nachspiel. Der gelackmeierte Dr. Meissner schaltete den Landrat ein und versuchte, dem Bürgermeister eine Straftat anzuhängen. Der verwies auf den einstimmigen Beschluß der Bürgermeistereiversammlung und auf das Eigentumsrecht der Schöffen. Für den ehemaligen preußischen Offizier und Protestanten Oskar von Altrock war die Sache aber auch deshalb heikel, weil seine katholischen Erzfeinde vor Ort insgeheim hofften, ihn endlich loszuwerden. Oskar von Altrock hatte in Unkel nur teilweise Rückhalt, stand aber in permanentem Streit mit dem Pfarrer Stolten und den einflußreichen Herren Arthur von Bothwell und Dr. Matthias Kirchartz. Aber Bürgermeister von Altrock blieb standhaft und höheren Orts war man wohl auch der Meinung, dass das Amtgericht in Linz nicht wirklich einen gerichtsfesten Anspruch auf die Zinnkrüge habe.


Und so kann man die Krüge noch heute im Unkeler Ratshaus bewundern.

 

Ältere Unkeler werden sich noch erinnern, dass früher zum Winzerfest auf dem Unteren Markt ein Brunnen aufgebaut wurde, auf dem stolz die Schöffenkrüge präsentiert wurden (siehe unten).