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Dreizehnter Blog - Januar 2025

Die Geschichte der "Villa Welter" später dann "Parkhaus Mürl" in Unkel-Scheuren

 

Im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts nach Eröffnung des rechtsrheinischen Bahnstrecke 1870 erfreuten sich die Rheinorte am Siebengebirge wachsender Beliebtheit als Wochenend- und Alterssitz.

 

Anton Welter, Textilfabrikant aus der Samt- und Seidenstadt Krefeld, ließ sich an der Scheurener Straße gegenüber der Gastwirtschaft „Arnsberg“ (später Mürl), dort wo heute das verlassene Seniorenheim Sankt Pantaleon steht, eine stolze Villa im Stil des Historismus errichten.

 

Villa des Anton Welter, ca. 1900
Villa des Anton Welter, ca. 1900

Der Bau vereinigte Stilelemente der Renaissance, des Barock und des Klassizismus.

Auch ein Türmchen durfte nicht fehlen.

 

Zur Gartenseite war eine Loggia angefügt, die einen Hauch von Toskana nach Scheuren brachte. Von der großzügigen Terrasse im 1. Obergeschoß blickte man auf den Rhein und das Siebengebirge.

 

Steinerne Vasen und Palmen dienten zur Zierde. Gekrönt wurde das Dach von einer Aussichtskanzel, „Beaulieu“ oder „Belvedere“ genannt.

Villa Welter mit Beaulieu um 1900 nördlich der St. Josef-Kapelle
Villa Welter mit Beaulieu um 1900 nördlich der St. Josef-Kapelle

Welter ließ auch einen Park anlegen, von dem Reste erhalten sind.

 

Nach dem 1. Weltkrieg gingen Villa und Park in das Eigentum des Hauptmanns Hans Nuyken über.

Er war 1890 geboren und erlernte als Jüngling in einem Kadettencorps das Kriegshandwerk.

 

In der gleichen Kompanie diente damals Hermann Göring. Im Ersten Weltkrieg kämpfte er als Infanterist an mehreren Fronten.

 

Nachdem er 1920 im Rang eines Hauptmanns aus der Reichswehr entlassen worden war, betätigte er sich erfolgreich als Kaufmann.

 

1938 wieder in die Wehrmacht eingetreten, erlebte er 1939 den Polenfeldzug im Rang eines Majors.

Offenbar hatte er Verhandlungsgeschick erkennen lassen, so dass man ihm eine heikle Aufgabe anvertraute.

 

Nach Abschluß des „Hitler-Stalin-Paktes“ sollte er die jenseits der neuen Demarkationslinie zwischen dem „Großdeutschen Reich“ und der Sowjetunion gefallenen deutschen Soldaten zurückholen, damit sie in deutscher Erde begraben werden konnten.

 

Nach zähen Verhandlungen war seine Mission schließlich erfolgreich.

 

Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs bekleidete Oberst Nuyken das Amt des Wehrbezirkskommandanten im Bereich Bonn-Siegburg.

 

Kirmesfeier 1921 vor der Loggia der Villa Welter
Kirmesfeier 1921 vor der Loggia der Villa Welter

 

 

Ein Foto von 1921 zeigt die Festgesellschaft der Scheurener Junggesellen- und Jungfrauenvereine anlässlich der Kirmes vor der Loggia der Villa Welter.

 

Ob Nuyken zu dem Zeitpunkt schon der Eigentümer war, ist unklar.

 

 

 

 

Wann Nuyken die Aussichtskanzel hat abbauen lassen, ist nicht bekannt.

 

 

In den 1930er Jahren zeigt sich das Dach der Villa ohne „Beaulieu“. 

Bereits vor dem Krieg hatte Nuyken seine Villa dem nationalsozialistischen Staat als Unterkunft für BDM-Mädchen zur Verfügung gestellt, die ihr „Landjahr“ in Unkel-Scheuren absolvierten.

Sie mussten in Haushalten und in der Landwirtschaft Hilfsdienste leisten.

Dies endete hier 1944.

 

Nachdem die alliierten Truppen im Sommer 1944 schnell aus Frankreich Richtung Deutsches Reich vorstießen, wurde der „Chef der Zivilverwaltung Luxemburg“ mit seinem Stab nach Unkel-Scheuren in die Villa Welter verlegt.


1951 kaufte der Gastwirt Christian Mürl jr. den ganzen Besitz und nutzte die Villa als Erweiterung seiner Hotelkapazität. 

Parkhaus Mürl vor dem Brand, ca. 1951
Parkhaus Mürl vor dem Brand, ca. 1951

Ein verheerender Brand 1954 zerstörte jedoch das Ober- und Dachgeschoß.

 

Mürl restaurierte und stockte auf, nahm aber dem äußeren Erscheinungsbild der Villa ihre Aura.

 

Das „Parkhaus Mürl“, ergänzt durch Anbauten, erweiterte die Kapazitäten des Hotelbetriebs erheblich.


 

Als der Besucherstrom stark nachließ verkaufte Sohn Willi Mürl 1989 den ganzen Komplex an die „Refugium“-Gesellschaft.

 

Ehe das geplante Seniorenheim entstehen konnte, wurde das „Parkhaus“ ab Herbst 1990 als Asylantenheim genutzt und mit zeitweise 60 – 70 Asylanten belegt. 

 

Ab Mitte 1992 erfolgte dann der Abriss. Im Juni 1994 nahm das Seniorenheim „Refugium“ seinen Betrieb auf, wurde aber schon 2002 von den Franziskanerinnen aus Mayen („Marienhaus“) als Seniorenzentrum Sankt Pantaleon übernommen.

Asylantenunterkunft im Parkhaus Mürl, 1991
Asylantenunterkunft im Parkhaus Mürl, 1991
Seniorenheim Refugium, 1995
Seniorenheim Refugium, 1995

 

Da wo die Villa Welter einst stand steht heute das Haus „Eibe“, in dem es 2018 gebrannt hat, was letztlich zum Rückzug der Betreiber geführt hat.  


Bildergalerie - "Villa Welter / Parkhaus Mürl"