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Vierzehnter Blog - Februar 2025

Das "Vier-Türme-Haus" in Unkel-Scheuren im Wandel der Zeit...

 

In der ansteigenden Sankt Josefstraße, Ecke Drachenfelsstraße in Scheuren fällt ein aus der Fluchtlinie zurückgesetztes dreiflügeliges Gebäudeensemble mit den Hausnummer 11 und 13 auf. Von der St. Josefstraße aus blickt man in einen baumbestandenen Innenhof, flankiert von Fachwerkbauten.

Hofansicht um 1920 - Teil 1
Hofansicht um 1920 - Teil 1
Hofansicht um 1920 - Teil 2
Hofansicht um 1920 - Teil 2

Das wuchtige, breite Quergebäude nimmt man erst von der Drachenfelsstraße aus richtig wahr. Die Gebäude stammen aus verschiedenen Zeiten.

 

Das Fachwerkhaus mit der Nr. 13 ist ein Ständerbau, was auf eine Entstehungszeit im

17. Jahrhundert hindeutet. Es war wohl ursprünglich ein Wirtschaftsgebäude und Teil eines Weinguts, ebenso wie der talseitige Flügel, der bautechnisch in das 18. Jahrhundert weist.

 

Das Quergebäude ist dagegen erst im 19. Jahrhundert errichtet worden, dort wo der ursprüngliche Winzerhof stand.

 

Wer hat nun den Winzerhof abreißen und das Herrenhaus errichten lassen?

 

Es war der Kölner Unternehmer Jacob Wahlen. Er lebte von 1788 bis 1845. 

Jakob Wahlen
Jakob Wahlen
Maria Agnes Wahlen
Maria Agnes Wahlen

Er schuf sich in Scheuren einen repräsentativen Landsitz, wie dies nach der Säkularisation, das heißt Verweltlichung gleich Enteignung der kirchlichen Güter viele wohlhabende Kölner im 19. Jahrhundert taten.

 

Jacob Wahlen stammte aus einer Ehrenfelder Familie von Gutshof- und Ziegeleibesitzern.

Im Kölner Unternehmertum erlangte er schon früh den Ruf eines sehr geschickten und erfolgreichen Fabrikanten und Kaufmanns.

 

Was er auch anpackte, es vermehrte sein Vermögen. Man nannte ihn bewundernd den „Goldenen Wahlen“.

 

Wahlen Villa - Ansicht von Norden
Wahlen Villa - Ansicht von Norden

 Wie genau der Erwerb vonstatten ging, ist noch nicht ermittelt.

 

Jedenfalls versteigerte der Fiskus in preußischer Zeit mehrfach ehemaligen kirchlichen Grundbesitz in Scheuren, darunter auch Weingüter der Abtei Deutz, des Karmeliterordens, der Domvikarie, des Stifts Maria ad Gradus und des Stifts Margaretha zu Köln.

 

Die Wahrscheinlichkeit ist also nicht gering, dass Jacob Wahlen solch ein Weingut ersteigert hat.

 

 

Jacob Wahlen ließ die Flügelgebäude stehen und durch den neuen Querbau miteinander verbinden. Die Fachwerketage sorgt dabei für einen harmonischen Gesamteindruck.

 

Blickfang ist der Turm. 

Dieses quadratische, dreistöckige Gebäude war ursprünglich bekrönt durch sogenannte Laternen (französisch: tourelle) auf jeder Ecke.

Auf alten Ansichten von Scheuren fallen diese Türmchen auf.

 

Daher war es fortan im Volksmund das „Vier-Türme-Haus“.

 

Wie auch bei der „Burg Unkel“ und der Villa Welter konnten die Herrschaften bei schönem Wetter von hier aus den Blick auf das Siebengebirge genießen.  

Scheuren um 1900
Scheuren um 1900
Scheuren um 1912
Scheuren um 1912

Seriegrafie von Hermann Neunkirchen (Vier-Türme-Haus am rechten Bildrand)
Seriegrafie von Hermann Neunkirchen (Vier-Türme-Haus am rechten Bildrand)

Jacob Wahlen hatte mit seiner Ehefrau Maria Agnes Giesen nur ein Kind.

Ihre Tochter Elisabeth (1816-1884) heiratete den Kölner Rechtsanwalt Johannes Birkhäuser.

 

Deren Ältere von zwei Töchtern, Johanna Birkhäuser (1838-1914) erhielt den Scheurener Besitz, wohnte aber mit ihrem Gatten Sanitätsrat Dr. Carl Mittweg in Essen-Werden.

Deren Kinder Agnes (1874-1945) und Carl Sebastian (1878-1944), beide ledig, waren die nächsten Erben.

 

Sie haben das Anwesen und die Weinparzellen verkauft.


Gustav Pohlmann und Ehefrau waren um 1900 die Eigentümer.

 

Er gehörte zur „Haute volé“ der Unkeler Gesellschaft und war demgemäß Mitglied des vornehmen „Casino-Clubs“.

Gustav Pohlmann, am Tisch 2. von links
Gustav Pohlmann, am Tisch 2. von links

1895 gehörte er zu dem Mitgründern des Unkeler Winzervereins.

 

Seine Witwe hat dann 1908, wie auch andere wohlhabende Grundeigentümer, Grund und Boden für die Errichtung der Volksschule „Am Sonnenberg“ gestiftet.


Über die Eigentumsverhältnisse nach den Pohlmanns ist im Archiv nichts zu finden. 


Es war nach wie vor ein Weingut und trug den Namen „Weingut Franzen“. 

Das Ende des Weinanbaus ist nicht dokumentiert.

Weingut Franzen um 1920
Weingut Franzen um 1920
Weingut Franzen um 1920
Weingut Franzen um 1920

In den 1930er Jahren wohnten in den Häusern Nr. 11 und 13 mehrere verschiedene Familien.

 


Währenddessen waren die Geschwister Carl und Agnes Mittweg in das große Fachwerkhaus St. Josefstr. 26 gezogen, daher die Bezeichnung „Haus Mittweg“.

 

Es gehörte nämlich samt eines großen Waldstücks oberhalb ebenfalls zu dem Nachlass des Jacob Wahlen.


Franz Jülich 100. Geburstag
Franz Jülich 100. Geburstag

Den Scheurenern noch in Erinnerung geblieben ist der spätere Eigentümer des „Vier-Türme-Hauses“, der Kölner Heilpraktiker Franz Jülich, oft fälschlich als „Doktor“ Jülich benannt. 

Der Bürgerverein und der Junggesellenverein verdanken ihm wiederholte finanzielle Unterstützung, so bei der Erneuerung von Wegekreuzen und der Anschaffung neuer Fahnen.

Ihm zu Ehren legte man die freie Fläche vor dem talseitigen Flügel als „Franz-Jülich-Anlage“ an und ernannte ihn zum Ehrenmitglied des Bürgervereins.

Franz-Jülich-Anlage - Ansicht Drachenfelsstraße
Franz-Jülich-Anlage - Ansicht Drachenfelsstraße

Ursprünglich war diese Fläche gar nicht unbebaut.

Hier stand bis zur St. Josefstraße das alte Kelterhaus. Es wurde erst nach dem 2. Weltkrieg abgerissen.

Auf einem alten Foto blickt man die Straße hinauf und sieht eine durchgehende Häuserfront.  Was man aus diesem spitzen Winkel nicht erkennen kann ist, dass das Hausgrundstück damals zur Straße hin durch eine Mauer mit Säulen und Gittern abgezäunt war. 

Kelterhaus und Hofmauer um 1912
Kelterhaus und Hofmauer um 1912
St. Josefstraße um 1925
St. Josefstraße um 1925


In den 1960er und 1970er Jahren wurde der Renovierungsbedarf immer sichtbarer bis schließlich der talseitige Gebäudetrakt ruinös wurde.

Ruine 1977
Ruine 1977
Ruine 1977 - stark heruntergekommen
Ruine 1977 - stark heruntergekommen

Auch die vier Türmchen hatten nach dem Krieg wohl ihre beste Zeit hinter sich. Wie üblich waren sie vermutlich aus Holz konstruiert. Nach 1945 musste dieser markante Blickfang demontiert werden.


Das ganze Gebäudeensemble geriet durch Vernachlässigung in einen immer schlechteren Zustand.

 

Die Rettung kam mit den neuen Eigentümern, Familie Hubert Steffens.

Sie stemmten vor der Jahrtausendwende eine vorbildliche Sanierung aller Gebäude innen wie außen vom Dachstuhl bis zum Keller.

 

Heute bietet das Vier-Türme-Haus ohne Türme wieder den gepflegten Anblick eines schönen Wohnsitzes. 

Das ehemalige "Vier-Türme-Haus" nach der Sanierung 2001
Das ehemalige "Vier-Türme-Haus" nach der Sanierung 2001

Bildergalerie - "Vier-Türme-Haus"


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